GEGENARGUMENTE

Der Kampf gegen Rechts heute: Die Betreuung der sozialen Unzufriedenheit nicht der FPÖ überlassen!

Am 18.12.2017 wurde die neue ÖVP/FPÖ Bundesregierung angelobt. Im Vorfeld wurden Vergleiche zur ersten Regierung Schwarz-Blau im Jahr 2000 angestrengt. Wenn auch rund um die Einführung der neuen Bundesregierung eine Reihe von Demonstrationen und Protesten stattfanden, war die Situation mit der im Jahr 2000 nicht zu vergleichen.

So war im Leitartikel „Eine blassblaue Wechselregierung“ von Rainer Novak in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 19.12.2017 zu lesen:

Vom Präsidenten über Brüssel bis zur Opposition: Diese Regierung hat wenig Widerstand zu fürchten….Alexander van der Bellen war in seinem Element: Witzig, locker, authentisch und ein bisschen schusselig vollzog er die Angelobung der dritten schwarz-blauen Regierung der Zweiten Republik. Er verzichtete auf den sauertöpfischen Gesichtsausdruck, den einst Thomas Klestil einstudiert hatte und der einem einst gestandenen Linken wie Van der Bellen leichtgefallen wäre. …..Viel war in den vergangenen Wahlkämpfen von Schwarz-Blau, dem möglichen Verhindern durch den Präsidenten und lauten Protesten die Rede gewesen. Allein, die vorweihnachtliche Angelobung und verhaltene nationale und de facto nicht existente internationale Proteste wirkten wie politische Normalität.“

Tatsächlich: Weder musste die neue Bundesregierung Schwarz-Blau III wie einst Schwarz-Blau I unterirdisch vom Bundeskanzleramt zur Angelobung in die Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg marschieren, noch haben die Demonstrationen gegen die schwarz-blaue Regierung den Massenzulauf wie im Jahr 2000 verzeichnet, geschweige denn wie damals eine Fortsetzung in wöchentlichen Donnerstag-Demonstrationen gefunden.

Ganz so selbstverständlich ist die „politische Normalität“ aber auch wieder nicht. „Gegen Rassismus und Sozialabbau“ hieß es bei den Demonstrationen gegen die Angelobung der jetzigen Bundesregierung wie auch bei den Demonstrationen im Jahr 2000. Dass die neue Bundesregierung sich durch weniger ausländerfeindliche Politik insbesondere gegenüber Flüchtlingen und größere Sozialstaatsfreundlichkeit auszeichnen würde als die Bundesregierung im Jahr 2000, kann man wirklich nicht behaupten. Manch anderes, was offensichtlich die damalige Empörung nicht ganz unwesentlich angestachelt hat, ist heute allerdings nicht gegeben: Die ÖVP bildet dieses Mal als Wahlgewinner und nicht als drittstärkste Partei mit der FPÖ eine Regierung. Parteien wie die FPÖ sind heute nicht mehr der Paria in Europa. Denn überall in Europa sind rechte und rechtsradikale Parteien auf dem Vormarsch, rekrutieren zu einem gar nicht kleinen Teil ihrer Wählerschaft aus der früheren sozialdemokratischen Wählerschaft.

Manche Linke gehen der Frage nach, wie es Zeitgenossen dazu bringen, rechte Wähler zu werden. Ihre Antworten lassen einen allerdings eher ratlos zurück. Da heißt es „materiell unzufrieden, sozial verunsichert, politisch orientierungslos“ seien diese Leute. Wieso bringen es solche „Orientierungslosen“ denn dann zu der politischen Orientierung, rechte Parteien seien genau die rechten für sie? Und was wollen diese Linken gegen diese politische Willensbildung eigentlich einwenden? Darum soll es in dieser Sendung gehen.

Die Sendung gliedert sich in folgende Teile:

1. Die rechten Wähler: „Zutiefst berechtigte soziale Enttäuschung – Von Rechts verführt und missbraucht

2. Flüchtlingsfeindschaft im Volk: „Verständlich – von der Regierung verschuldet

3. Der Ruf nach dem starken Staat: „Den Staat nicht den Rechten überlassen

4. Warum die Krise immer nur den Rechten nutzt

1. Die rechten Wähler: „Zutiefst berechtigte soziale Enttäuschung – Von Rechts verführt und missbraucht

Dazu hat sich Hanno Wisak, ein Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark folgendermaßen geäußert:

„“FPÖ-Wähler stehen ökonomisch weiter links als die Partei“, titelt der Standard. Nun ist es empirisch belegt, was eigentlich als Binsenweisheit gelten sollte. Endlich. Vielen Menschen geht es darum, sich das Wohnen leisten oder sich auf ein gutes Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen verlassen zu können und darum, ein Einkommen zum Auskommen zu haben.“ (https://www.unsere-zeitung.at/2017/12/22/schluesse-und-schlussstriche-ziehen/, Hanno Wisak, Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark)

FPÖ-Wähler werden als Menschen vorstellig gemacht, denen es um leistbares Wohnen, gutes Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen und ein Einkommen zum Auskommen geht. Jetzt mag es ja sein, dass sie mit ihrer Wohnungs- und Einkommenssituation unzufrieden sind. Grund für diesbezügliche Unzufriedenheit haben sie wahrlich genug.

Aber das, was es an dieser Stelle zu erklären gilt, ist mit dem Verweis auf diese Unzufriedenheit überhaupt noch nicht geleistet. Zu klären wäre nämlich, wie man von unbezahlbaren Wohnungen und schlecht bezahlten Jobs auf das Wählen von Rechten kommt. Weder ist das – wie es im Zitat heißt – eine Binsenweisheit, noch überhaupt logisch zwingend.

Das schon deshalb, weil doch eigentlich nicht zu übersehen ist, dass die FPÖ ihren Wählern gar nicht sichere und gut bezahlte Berufe, höhere Pensionen, niedrige Mieten usw. versprochen hat, sondern Law & Order und mehr nationale Rücksichtslosigkeit gegen hier lebende Ausländer und Schutz suchende Flüchtlinge. Es ist also schon von daher überhaupt nicht logisch, zu glauben, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, drohende Altersarmut usw. wären der Grund, weshalb rechte Parteien gewählt werden. Von Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen gibt es keinen direkten Übergang zu einer Ausländer-raus-Politik.

Genauer besehen bilden hohe Mieten, miese Löhne, ein als unbefriedigend empfundenes Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem die Lage, auf deren Grundlage der Wählerwille sich bildet. Wie der Wähler sich letztlich entscheidet, ist aber mit dieser Lage noch keineswegs entschieden. Genauso gut könnte er doch KPÖ wählen – und tut es in Graz doch auch. Er könnte sogar erkennen, dass Wählen überhaupt nicht dazu taugt, an seiner Armut was zu ändern; dass er mit seiner Stimme im Gegenteil seine Zustimmung dazu abgibt, dass andere befugt sind, über seine Lage zu entscheiden.

Weil es nicht auf die Lage ankommt, sondern auf die Interpretation dieser Lage, können außerdem auch Leute, die sich nicht in einer der genannten sozialen Notlagen befinden, rechte Parteien wählen. Was einer wählt, hängt nicht einfach von seiner Lage ab, sondern davon ab, welchen Schluss er aus dieser Lage zieht.

Wenn die Leute Rechte wählen, dann weil sie sich die Interpretation ihrer Lage durch die rechten Parteien haben einleuchten lassen. Will man gegen den Rechtsruck antreten, gilt es daher sich mit dieser Interpretation auseinanderzusetzen. Das wird nicht gehen, ohne auch die Wähler und ihre Urteile zu kritisieren.

Was macht hingegen der Vertreter der steirischen KPÖ? In seiner zitierten Aussage heißt es:

Die Sozialdemokratie in fast allen Staaten Europas wurde in den letzten Jahren bei Wahlen dafür bestraft, dass sie – trotz steigender wirtschaftlicher Produktivität und explodierender Konzerngewinne – ein Programm umgesetzt hat, das die Lebensbedingungen der Menschen massiv und rapide verschlechtert hat. Eine Steilvorlage für all jene, die den von der „Linken“ enttäuschten Wählern und Wählerinnen einreden wollen, die „anderen“ seien schuld. (https://www.unsere-zeitung.at/2017/12/22/schluesse-und-schlussstriche-ziehen/ – Hanno Wisak, Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark)

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Der Vertreter der steirischen KPÖ stellt fest, von der „Linken“ enttäuschte Wähler wählen rechts. Genau das, worauf es ankäme – eine Kritik der Urteile, von denen sich die Menschen haben überzeugen lassen – macht er aber nicht. Sich mit diesen auseinanderzusetzen, hält er offenbar für völlig überflüssig, wenn nicht gar für kontraproduktiv für sein Anliegen, den Rechten die Wähler abspenstig zu machen und für die eigene Partei zu gewinnen. Als ob das die größte Selbstverständlichkeit wäre, bespricht der KPÖler die Wähler der rechten Parteien als gemeinsame Basis, die die Rechten sich einverleiben, indem sie ihnen erfolgreich „einreden“, die „anderen“ seien schuld. Er dividiert den enttäuschten Wähler und die Partei, der er seine Stimme gegeben hat, auseinander. Er scheidet zwischen den guten Leuten, ihrer materiellen Lage, ihrer Aufmüpfigkeit als Wähler und den Rechten, die die Leute für ihre rechten Ideen missbrauchen, indem sie ihnen „einreden“, die anderen – Migranten und Flüchtlinge – seien schuld. Dem Urteilsvermögen der so quasi Verführten stellt er damit kein gutes Zeugnis aus.

Auch wenn der Vertreter der steirischen KPÖ mit seiner Behauptung, die Leute hätten sich was „einreden“ lassen, das nicht zur Kenntnis nehmen will, ist es nun einmal so, dass – auf welchen Wegen auch immer sie zu einem Urteil kommen – es dann auch ihr Urteil ist, das über ihre Lippen kommt. An Wille und Bewusstsein der Wähler vorbei wird es wohl auch der FPÖ nicht gelungen sein, die Leute davon zu überzeugen, dass an der als unbefriedigend empfundenen Lage Österreichs Migranten und Flüchtlinge schuld seien. Und dann soll man sich denken, diese Leute hätten mit dem Rassismus der FPÖ nichts am Hut? Von wegen daher, man könne sich die Kritik dieser Geisteshaltung schenken.

Anders der Vertreter der steirischen KPÖ: Nicht nur, dass er nicht daran denkt, die Wähler zu kritisieren, kann er ihre Entscheidung sogar nachvollziehen, gibt ihnen also ein Stück weit Recht, wenngleich er ihre Wahlentscheidung natürlich für einen Fehler hält – nicht zuletzt in ihrem eigenen Interesse. Er attestiert ihnen eine nicht näher bestimmte, aber jedenfalls voll berechtigte Unzufriedenheit mit ihrer sozialen Lage. Eine soziale Lage, die in den vergangenen Jahren von der Sozialdemokratie geschaffen wurde und die die Rechten erfolgreich dafür missbrauchen konnten, den Menschen einzureden, an ihrer Lage wären die anderen, die Ausländer schuld.

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Sein Vorwurf an die Adresse der Sozialdemokratie lautet im Einzelnen, sie hätte mit ihrer Politik überall in Europa den Rechten eine Steilvorlage geliefert, weil sie – wie es im Zitat heißt – „trotz steigender wirtschaftlicher Produktivität und explodierender Konzerngewinne – ein Programm umgesetzt hat, das die Lebensbedingungen der Menschen massiv und rapide verschlechtert hat“.

Die sozialdemokratischen Staatenlenker hätten trotz(!) steigender Produktivität und trotz(!) explodierender Konzerngewinne die Lebensbedingungen der Menschen verschlechtert. Schlechte Einkommens- und Wohnverhältnisse – so sein Urteil – hätten ihren Grund bloß in der schlechten Verwaltung der hiesigen kapitalistischen Wirtschaftsweise, die er ansonsten unkritisiert stehen lässt. Mit dieser theoretischen Trennung der Verwaltung von dem, was da verwaltet wird, schafft er es glatt, Produktivität und explodierende Gewinne in eine vertane Chance, Lohnabhängigen Wohltaten zukommen zu lassen, zu verwandeln, ein Chance, die die Sozialdemokratie durch ihre schlechte Politik vergeigt hätte. Gerade so als ob der Lohn nicht Kostenfaktor kapitalistischen Wirtschaftens wäre, einer Wirtschaft, die ihren Erfolg keineswegs in hohen Löhnen und kurzen Arbeitstagen, sondern im Gewinn der Kapitaleigner misst. Gerade so als ob es bei Produktivitätssteigerungen im Kapitalismus um was anderes als um die Einsparung von bezahlter Arbeit ginge.

Die Anklage richtet sich an den Staat bzw. die sozialdemokratischen Staatenlenker, die es verabsäumt hätten, die in der Wirtschaft erzielten Gewinne in eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen umzumünzen. Damit hätten die Linken – für den KPÖler ganz verständlich – das Vertrauen der Wähler an die Rechten verloren.

Mit größter Selbstverständlichkeit werden die Menschen dabei vom Vertreter der steirischen KPÖ als Wähler und damit als Menschen besprochen und in Anspruch genommen, die ihr eigenes Leben nicht selbst in die Hand nehmen und auch gar nicht in die Hand nehmen sollen, deren politische Tat darin besteht, am Wahltag ein Wahlkreuz zu machen und alles weitere dann der Politik zu überlassen.

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Dafür, dass die Wähler in Zukunft das Wahlkreuz bei linken Parteien anbringen, muss sich daher nicht der Wähler ändern, der macht eigentlich gar nichts falsch, einsehen muss die Linke, dass sie Fehler gemacht hat:

Da hilft es dann auch nicht zu „warnen“ und zu glauben, man müsse dem vermeintlich dumpfen und dummen Wahlvolk nur oft genug erklären, dass Rassismus rassistisch und Sexismus sexistisch ist – oder es gar dafür verdammen wollen, dass es das partout nicht einsehen will. Das heißt jetzt nicht Rassismus und Sexismus sollten uns wurscht sein. Solang sie aber das Steckenpferd der „Linken“ sind und das einzige, das die Mehrheit der Bevölkerung von der „Linken“ mitbekommt, braucht es nicht zu verwundern, dass sie sich gesellschaftlich marginalisiert. … (https://www.unsere-zeitung.at/2017/12/22/schluesse-und-schlussstriche-ziehen/ ) – Hanno Wisak, Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark)

Der Vertreter der steirischen KPÖ wendet sich gegen die in linken und sonstigen antifaschistischen Kreisen verbreitete Tour, die fällige Kritik an den Urteilen der Rechten durch Ausgrenzung zur ersetzen. Einem FPÖ-Wähler an den Kopf zu schmeißen, dass die von ihm gewählte Partei rassistisch ist, taugt tatsächlich zu nichts anderem als zur Ausgrenzung. Bloß auf Rassismus der FPÖ und dessen Unanständigkeit hinzudeuten, wird zur Kritik eines Menschen, der sich rassistische Urteile hat einleuchten lassen, mit Sicherheit nicht reichen. Wie auch? Der so Agierende gibt doch nichts anderes kund, als seinen Unwillen, sich mit den Urteilen der Rechten zu befassen. An die Stelle von Kritik tritt die moralische Verurteilung der rechten Gesinnung als rassistisch, sexistisch und dumpf.

Soweit das Richtige an dem Merker des Vertreters der steirischen KPÖ. Seine Zurückweisung dieser Ausgrenzungsdenunziation hat ihren Grund aber nicht darin, dass ihm der tautologische Charakter einer Kennzeichnung des Rassismus als rassistisch aufgefallen wäre. Er hält diese Sorte Kritik bloß für nicht erfolgversprechend. Seine Zurückweisung der Ausgrenzungstour mündet daher auch nicht in einer richtigen Kritik des Rassismus – eine andere Kritik wird von ihm weder formuliert, noch hält er sie für zielführend –, sondern in der Aufforderung, Themen wie Rassismus und Sexismus zwar nicht ganz von der Liste zu streichen, aber doch ein wenig tiefer zu hängen. Ausländerfeindlicher Nationalismus ist für ihn nichts anderes als ein Reflex auf eine schlechte soziale Lage. Eigentlich wollen die Menschen immer schon das Gute, hätten demgemäß aus sich heraus gar nichts mit Rassismus am Hut, leider lasse ihnen ihre materielle Lage aber keine andere Wahl, als auf die FPÖ zu setzen als der einzigen Partei, die sich ihrer wahren Anliegen annimmt – vorgeblich, wie er weiß.

Die einzige Hoffnung, die bleibt, dass die Linke (ohne Anführungszeichen) zur Vernunft kommt – und zur Einsicht, dass das ökonomische und gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt. Bertholt Brecht hat das in der Dreigroschenoper mit „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ treffend auf den Punkt gebracht. … Es braucht eine Bewegung, die die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt.(https://www.unsere-zeitung.at/2017/12/22/schluesse-und-schlussstriche-ziehen/ Hanno Wisak, Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark)

Dem KPÖ-Vertreter aus der Steiermark dürfte hier eine Aussage von Marx aber gründlich in die falsche Kehle gerutscht sein. Wenn Marx im Vorwort zu seiner Schrift „Zur Kritik der politischen Ökonomie“(1859, MEW 13) schreibt: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt“, dann war das nicht als Gebrauchsanweisung für den Umgang mit den Menschen gemeint, wie der KPÖ-Vertreter das verstanden haben möchte. Er wollte darauf hinweisen, dass die gesellschaftliche Praxis der Menschen nicht ihrer vernünftigen Einsicht in die herrschenden Verhältnisse entspringt, sondern sich umgekehrt ihre Urteile über die gesellschaftlichen Beziehungen den herrschenden Verhältnissen akkommodieren; dass also der praktische Bezug der Menschen auf die existenten gesellschaftlichen Verhältnisse als positive Bedingung ihres persönlichen Erfolges nicht ohne verkehrte Urteile über diese Verhältnisse zu haben ist. Diese verkehrten Urteile gilt es daher zu kritisieren anstatt diese Geisteshaltung der Menschen instrumentell zu affirmieren. Genau letzteres hat aber der Vertreter der steirischen KPÖ im Auge, wenn er fordert, man müsse für die richtigen ökonomischen Verhältnisse sorgen, nur so könne man die Leute daran hindern, das Falsche zu tun, sprich eine rechte Partei zu wählen.

Angemerkt sei an dieser Stelle außerdem schon auch noch, dass der KPÖ-Vertreter damit einen ziemlich schlechten Grund dafür angibt, weshalb sich die linken Parteien der sozialen Lage der Menschen annehmen sollten. Nicht um dieser sozialen Lage selbst willen, nicht weil gute Arbeits- und Wohnverhältnisse selbstverständlich sein sollten, nicht weil der Kapitalismus den Leuten nicht gut tut, sondern damit sie nicht rassistisch sind und KPÖ wählen!

Zu einem ähnlichen Schluss kommen Vertreterinnen des linken Feigenblättchens innerhalb der SPÖ:

Die FPÖ hat in den vergangenen zehn Jahren nicht nur Themen, sondern Signalwörter und ganze Redewendungen für sich besetzt. So wurden ganz banale Wortfetzen wie "Wir müssen die Sorgen der Leute ernst nehmen" plötzlich immer gemeinsam mit einer restriktiven Asylpolitik kommuniziert. Die FPÖ hat sämtliche Themenfelder mit ihrer "Die Asylanten sind die Gefahr"-Story verbunden, die sie seit zehn Jahren immer und immer und immer wieder erzählt und dadurch einen Themenschwerpunkt in der Innenpolitik Österreichs geschaffen hat. Keine leistbare Wohnung verfügbar? Flüchtlinge schuld. Keine Arbeit? Flüchtlinge schuld. Zu wenig Einkommen? Flüchtlinge schuld. Keinen Durchblick mehr, warum die ganze Welt wahnsinnig zu werden scheint? Erst recht die Flüchtlinge schuld. … Wollen wir im nächsten Nationalratswahlkampf wieder als Hauptthemen Asyl und Integration? Oder wollen wir daran arbeiten, dass die soziale Frage, die Frage nach höheren Löhnen, nach Absicherung bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit, nach Pflege, nach genügend Freizeit für ein schönes Leben und Respekt für alle diskutiert wird? Denn dann brauchen wir unser eigenes Framing und den Mut zur eigenen Ideologie. - derstandard.at/2000072396315/Die-SPOe-und-der-Mut-zur-eigenen-Ideologie.“ (Julia Herr, Katharina Embacher, http://derstandard.at/2000072396315/Die-SPOe-und-der-Mut-zur-eigenen-Ideologie)

So ähnlich die Schlussfolgerung des Vertreters der steirischen KPÖ und der beiden SPÖ-Vertreterinnen auch sein mögen, sollte man doch nicht übersehen, dass hier nicht die KPÖ, sondern Vertreterinnen genau jener Partei sprechen, die jahrelang, um nicht zu sagen jahrzehntelang, ein ums andere Mal die soziale Lage der Menschen verschlechtert hat. Nicht zu vergessen auch, dass es durchwegs SPÖ-geführte Regierungen waren, die eine Verschlechterung des Asylrechts nach der anderen beschlossen haben. Eine Kritik der ausländerfeindlichen Positionen der FPÖ sieht jedenfalls anders aus. Vor allem stört Julia Herr und Katharina Embacher, dass es der FPÖ gelungen ist, mit der Verknüpfung von Verschlechterung der sozialen Lage und der Flüchtlingsfrage Wahlerfolge einzufahren. Als Vehikel dafür, dass die SPÖ kommende Wahlen wieder gewinnt, möchten sie der SPÖ die Meinungsführerschaft zurückerobern und dazu der FPÖ die Möglichkeit der Verknüpfung sozialer Themen mit der Frage der Flüchtlinge streitig machen. Nicht mit dem Versprechen, all die Verschlechterungen der sozialen Lage der Menschen oder die Verschärfungen im Asylrecht rückgängig zu machen. Das wäre dann ja nicht mehr bloß Mut zur Ideologie. Aber die soziale Frage, die Frage nach höheren Löhnen, nach Absicherung bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit, nach Pflege, nach genügend Freizeit für ein schönes Leben und Respekt für alle zu „diskutieren“, das sei gute und unverwechselbare sozialdemokratische Tradition.

2. Flüchtlingsfeindschaft im Volk: „Verständlich – von der Regierung verschuldet

Dass um ihre soziale Lage besorgte Menschen ihre miese Lage Flüchtlingen anlasten, gilt manchen Linken als durchaus nachvollziehbar:

Wer die gestiegenen Kosten des Asylwesens denen aufbürdet, die ohnehin schon wirtschaftlich straucheln, und nicht etwa die Gewinne auf Waffenexporte besteuert, gießt Öl ins Feuer.“ (https://www.unsere-zeitung.at/2017/12/22/schluesse-und-schlussstriche-ziehen/ – Hanno Wisak, Mitglied des Landessekretariats in der KPÖ Steiermark)

Woran dabei gedacht ist, hat Oskar Lafontaine im deutschen Bundestagswahlkampf 2017 in seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik seiner eigenen Partei „Die Linke“ auf den Punkt gebracht:

Man darf die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen sind.“ (http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-der-bundestagswahl-lafontaine-liest-der-linkspartei-die-leviten/20384442.html)

Was wird hier von linker Seite vermeldet? Stimmung gegen Flüchtlinge – da muss man sich nicht wundern! Warum? Die Leute haben es ja angesichts einer steigenden Zuwanderung schwerer in der Konkurrenz um eine Arbeitsplatz, eine Wohnung usw.

Was macht ein Wähler, der tatsächlich aus diesem Grund die Rechten wählt? Welchen Fehler in der rechten politischen Deutung der Lage der Leute, lassen diese Linken hier unkritisiert stehen?

Der erste Fehler: Jemand der mit diesem Argument die Rechten wählt, wendet sich damit nicht gegen die besitzenden Interessengegner. Er lastet die negativen Wirkungen der Konkurrenz nicht dem System der Konkurrenz an, in das er gestellt ist, sondern den Konkurrenten, die in der gleichen Not sind wie er – in der Not, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung zu finden, die anderen gehören und die für diese anderen die Mittel ihrer Bereicherung sind.

Der zweite Fehler: Die Schuld wird noch nicht einmal den Konkurrenten überhaupt angelastet, sondern ausschließlich neuen Konkurrenten aus dem Ausland. Es muss einem schon noch mal der Flüchtling als derjenige einfallen, der zu viel ist! Also der zweite Fehler ist, dass die Zuordnung der Menschen zu den Staaten als selbstverständliche unterschrieben wird. Ein Standpunkt, gegen den viele Linke offenbar keinen Einwand kennen und erheben. Wenn es dem Inländer schlecht geht, braucht man sich nicht wundern, wenn der sich gegen die Asylwerber auflehnt - „Wer die gestiegenen Kosten des Asylwesens denen aufbürdet, die ohnehin schon wirtschaftlich straucheln, gießt Öl ins Feuer.“

Was will jemand, der nur was gegen ausländische Konkurrenten hat? So jemand kennt keinen anderen Anspruchstitel auf Schutz und Verschonung vor Elend mehr, als seine Zugehörigkeit zur Nation. Schutz, den sich diese Menschen vom Staat erwarten, besteht in nichts anderem als Rücksichtslosigkeit gegen Menschen anderer Nationen. So jemand interpretiert seine Lage als Wirkung einer Politik, die die Sache der Nation verlassen hat – und letztlich als Folge der Schwäche des Staates.

Zwischenfazit: Warum Linke die Auseinandersetzung mit dem politischen Urteil der rechten Wähler meidet

Da deuten parteipolitische Konkurrenten die Lage, die „ihre“ Wähler zurückgewinnen wollen, statt deren politische Fehler zu kritisieren.

So nehmen Linke Partei für und propagieren die politische Übersetzung jeden Schadens in einen – aus der Position des Ohnmächtigen erteilten – Auftrag an die politisch zuständige Staatsmacht, dessen Repräsentant in Österreich die KPÖ und in Deutschland Die Linke sein will.

Die Linke will also nicht nur Wähler abholen, sie will die Leute in der fatalen Rolle des Wählers festhalten, der seine Interessen und Sorgen bei der Politik aufgibt.

Daraus folgt der Beitrag der Linken zur politischen Willensbildung, dass das Volk dann auch den funktionsfähigen Staat braucht, nämlich als Bedingung allen sozialen Kümmerns.

3. Den Ruf nach dem starken Staat: „Den Staat nicht den Rechten überlassen!

Elke Kahr sagt, sie sei überzeugte Marxistin, und weicht bei vielen Themen trotzdem aus. … Dass ein kommunistischer Landtagsabgeordneter nach dichten Grenzen und starken Nationalstaaten rief, kommentiert sie erst nicht – und sagt irgendwann doch, dass kein Kommunist gegen einen starken Nationalstaat sein könne. „Wir sollten uns die Begriffe Nation und Heimat nicht von den Rechten nehmen lassen. Wenn Linke das anders sehen, dann haben sie wenig verstanden“, sagt sie.“ (Elke Kahr, Die nette Marxistin, Die Zeit vom 30.01.2017)

Elke Kahr, Grazer Stadtpolitikerin der KPÖ, engagiert im Bereich der Sozialpolitik. Als diese Sozialpolitikern schreibt sie den Linken eines ins Stammbuch: als Linker kann man nicht gegen einen starken Staat sein. Offenbar hält sie einen „starken Nationalstaat“ für ein entscheidendes Mittel im Kampf gegen soziale Nöte und daher auch für ein einziges Versprechen an ihre Wähler, das sie keinesfalls den Rechten als Alleinstellungsmerkmal überlassen möchte. Ausgerechnet auf dem Feld der Stärke des Staates will sie einer Law & Order-Partei wie der FPÖ Paroli bieten, der sie selbst reaktionäre Begriffe wie Nation und Heimat – keinesfalls kampflos als Alleinstellungsmerkmal überlassen sehen möchte.

Für die Wohltaten, an die sie denkt, braucht es die unangefochtene, auch finanzielle Souveränität der Staatsmacht. Für das, was sie will, muss zuallererst diese Staatsmacht frei sein, frei vor allem gegenüber den Wirtschaftsinteressen, damit sie leisten kann, was sie leisten soll: die Macht des Kapitals bremsen, damit es nicht ungebremst machen kann, was es macht: ausbeuten, die eigene Macht vergrößern, Ungleichheit schaffen.

Dann soll der Staat der Wirtschaft und ihrer Marktmacht gegenüber handlungsfrei sein, nicht um sie zu entmachten, sondern um ihr Grenzen beim Verarmen zu ziehen; finanziell soll der Staat mächtig sein, um den sozialen Schäden – die dann offenbar trotz der „Grenzen“ auch nach linker Rechnung noch immer zustande kommen, entgegenzusteuern.

Keinen Gedanken verschwendet Elke Kahr darauf, wo die Unternehmen, die mit ihren Entscheidungen über das Leben der Gesellschaft und ihrer Mitglieder befinden, ihre Macht überhaupt herhaben.

So will ihr auch der Widersinn einer solchen linken Politiklehre nicht auffallen: Wer auf die Macht des Staates setzt, damit der den sozialen Schäden Grenzen setzt, die die kapitalistische Wirtschaft anrichtet, der könnte nämlich einsehen, dass es doch dieselbe Staatsmacht ist, die qua verfassungsmäßigem Eigentumsschutz die kapitalistische Wirtschaft überhaupt erst dazu ermächtigt, ihr Werk samt den dazugehörigen Schäden anzurichten. Ohne starken Staat, meint Elke Kahr, gäbe es gar keine Bremse gegen die Macht des Kapitals und die Ausbeutung der Arbeiter; dass es ohne ihn auch diese Macht und was sie anstellt, nicht gäbe, ist einer Linken fremd, für die die Begrenzung der Ausbeutung ihrer Schützlinge das höchste der Güter ist. Wer sich dann noch dazu versteht, Armutserscheinungen durch Umverteilung mildern zu wollen, kauft sich das Zustandekommen der dafür erforderlichen finanziellen Mittel durch erfolgreiches kapitalistisches Wirtschaften ein – und damit erst recht wieder das Zustandekommen der Armut.

Mit diesem Bekenntnis zum „Starken Staat“ als unverzichtbarem Mittel für sozialen Schutz nimmt Kahr die Konkurrenz zu den Rechten auf deren ureigenstem Feld auf. Die nämlich wissen schon gleich, dass die Souveränität des Staates die Existenzbedingung des Gemeinwesens ist, in dem das Volk lebt. Sie zögern nicht, alles, was im Land nicht ist, wie es sein sollte, auf mangelnde Handlungsfähigkeit und Unfreiheit des Staats zurückzuführen, sei es wegen innerer Widerstände oder ausländischer Mächte. Sie ziehen daraus den radikalen Schluss, dass die Unangefochtenheit der Staatsmacht dann auch das erste Bedürfnis des Volkes ist, der Dienst an ihr daher dessen erste Aufgabe. Ohne jeden Berührungspunkt sind die politischen Welten der Linken und der Rechten also nicht.

Auch den einst als spießig bis reaktionär verpönten Begriff der „Heimat“ will Kahr nicht den Rechten überlassen:

Wir sollten uns die Begriffe Nation und Heimat nicht von den Rechten nehmen lassen. Wenn Linke das anders sehen, dann haben sie wenig verstanden

Abgesehen davon, dass man Begriffe nicht wegnehmen kann, brauchen Rechte wirklich nicht die Linken, um sich auf den reaktionären Begriff Heimat als Berufungstitel und ideellen Auftraggeber ihrer Politik zu beziehen. Eher schon verhält es sich doch wohl umgekehrt. Selbst Linke wollen den Rechten heute den bis gestern noch verpönten Begriff der Heimat unbedingt streitig machen, weil sich damit prächtige Wahlerfolge einfahren lassen.

Heimat, die Summe der Lebensumstände, in die man ohne eigenes Zutun gestellt ist, die man sich daher auch nicht ausgesucht hat und auch gar nicht aussuchen kann und die nicht deshalb zu einem passt, weil es sich dort so angenehm lebt, sondern – streng tautologisch – weil es die eigene ist. Ausgerechnet dieses berechnungslose Ja zu Land, Leuten und Existenzbedingungen, in die man hineingestellt ist, zu Lebensumständen die man sich nicht passend macht, sondern denen man sich anzupassen hat, will Kahr keinesfalls den Rechten überlassen. Der historischen Gerechtigkeit halber sei daran erinnert, dass es schon auch einmal Zeiten gab, wo selbst die KPÖ eine Ahnung davon hatte, dass Arbeiter keine Heimat haben. „Arbeiter haben kein Vaterland“ hieß es dereinst.

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Die Heimat der FPÖ überlassen, das möchte nicht nur Elke Kahr von der KPÖ nicht, sondern auch Astrid Rössler, die Spitzenkandidatin der Grünen im Salzburger Landtagswahlkampf. Dass wahres Menschsein sich in der Erfüllung der Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft, in die man – ob man will oder nicht – eingeordnet ist, verwirklicht, das ist ein Idee, der auch die Grüne Rössler einiges abgewinnen kann, so sehr dass sie sie am besten für die Grünen reserviert wissen möchte:

Die Presse: Sie plakatieren gerade den Slogan „Heimat schützen“. Fischen Sie jetzt im blauen Wählerteich?“ Astrid Rössler (Salzburgs Grünen-Chefin): Nein wir wollen den Heimatbegriff nicht nur einer Partei überlassen, die damit auf Spaltung und Ausgrenzung setzt. Für uns steht Heimat für soziale Bindungen, Zusammenhalt, für Verwurzelung mit Natur und der Landschaft. Das sind alles Themen, für die wir in den vergangenen Jahren in der Regierung gekämpft haben. Unser Zugang ist ein Gegenmodell zu einem ausgrenzenden Heimatbegriff.“ Die Presse: Dirndl, ländliche Idylle: Wie bürgerlich sind die Salzburger Grünen? Astrid Rössler: Es gibt ein breites Spektrum. Wir sind in den urbanen Gebieten ebenso vertreten wie am Land, wo Traditionen ganz unaufgeregt und selbstverständlich dazugehören.“ (Ziel ist, dass ÖVP wählen kann, Die Presse vom 11.4.2018)

Dass nicht die Menschen sich die Welt nach ihren Bedürfnissen einrichten, sie vielmehr – ob sie wollen oder nicht – in einen ihnen vorgegebenen sozialen Zusammenhang eingeordnet und ihm verpflichtet sind, dem zu dienen ihrer zweiten, gesellschaftlichen Natur entspricht, das ist es nicht, was sie am Bezug der FPÖ auf die Heimat stört. Soziale Bindung, Zusammenhalt und ähnliche Kategorien des Eingeordnet seins gehen auch ihr locker von den Lippen. Uneins ist sie sich mit dieser rechten Partei einzig in der Frage, welches die dem Österreicher angemessene, ihm auf den Leib geschriebene Gemeinschaft ist. Der FPÖ wirft sie Ausgrenzung vor, weil diese bloß die autochthone Bevölkerung Österreichs als zur Heimat gehörig anerkennen möchte. Alle anderen Menschen würden damit dann doch glatt um die Segnungen des allseitigen Verpflichtungszusammenhangs namens Heimat umfallen. Im Unterschied zur FPÖ möchte Rössler nicht aus-, sondern eingrenzen.

Wirklich und wahrhaftig nichts und niemand soll von diesem von ihr vertretenen Heimatstandpunkt ausgenommen sein, dafür sorgt sie – wie es sich für Grüne gehört – mit seiner endgültigen Verankerung in der Natur. Wozu und vor allem wogegen es diesen Zusammenhalt dann eigentlich noch braucht, sollte man besser nicht fragen. Da wird sich dann zur passenden Zeit schon das passende realpolitische Subjekt finden.

4. Der Aufschwung der Rechten in Europa – Warum die Krise immer nur den Rechten nützten

 

Es ist auffällig. Spätestens seit der Finanzkrise scheint der Aufstieg rechter Parteien in Europa unaufhaltsam: der Front National in Frankreich, die UKIP in Großbritannien, die AfD in Deutschland und in Österreich die FPÖ. An der Krise liegt es freilich nicht, dass sie immer nur den Rechten nützt; ihre Erklärung und Kritik mündet in die Kritik des kapitalistischen Wirtschaftssystems und liefert nicht die schlechtesten Gründe für Revolution. Es liegt am praktischen und ideologischen Standpunkt, von dem aus die Krise in einer kapitalistischen Nation als Problem und Schaden wahrgenommen wird.

Um den zu klären, hilft ein Vergleich zwischen rechter und linker Politisierung der Unzufriedenheit. Beide greifen alle mögliche, gerade auch soziale Unzufriedenheit auf; beide fordern Abhilfe vom Staat; beide erklären die Unfreiheit des Staates, seine mangelnde Souveränität zur Ursache der ausbleibenden Leistungen: Ihr Staat ist nicht frei zur Rücksichtslosigkeit gegenüber bestimmten mächtigen Interessen, auf die er im Sinne des Gemeinwohls nicht hören dürfte. Rechts und Links können sich unterscheiden, gegenüber welchen Interessen sie ihren Staat unfrei finden, müssen das aber gar nicht: Mächtige Privatinteressen - der Reichen, der Banken, der Großkonzerne, auch Interessen besonders mächtiger Staaten, etwa der USA, kennen beide; die Macht der Gewerkschaften nur die Rechten.

Wenn sich Linke wie Rechte gute Leistungen für ihre Klientel von der politischen Herrschaft versprechen, betonen sie „nur“ – aber was heißt schon nur! – die beiden Extreme entgegengesetzt: Die Linken schreiben die Leistungen groß und adeln mit ihnen die herrschende Gewalt, von der sie diese Leistungen erwarten: „Gut ist ein Staat für die Regierten, der Gutes für sie leistet“. Deswegen haben sie auch etwas für einen starken Staat übrig, den vor allem die Armen brauchen. Demgegenüber bestehen die Rechten darauf, dass der Staat erst einmal selbst mächtig, frei, Herr über alle, vor allem auch ausländische Interessen sein muss, wenn er die Leistungen, die zu ihm passen, erbringen soll. Soziale Forderungen kennen sie entweder als Anspruchsdenken, das sie zurückweisen, oder als Ausdruck einer Schwäche des Staates, der erst mal auf sich – und im Verhältnis nach außen: auf die Seinen – achten, die eigene Handlungsfreiheit stärken muss, ehe er Volksgenossen in schwierigen Lagen eventuell die Förderung zukommen lassen kann, die deren pflichtgemäße Lebensführung braucht. Für sie reimt sich jede Not auf Gewalt.

Die demokratische Linke umgekehrt übersetzt sich nationalistische Unzufriedenheit, Fremdenhass etc. – sehr zu Unrecht! – in lauter soziale Ängste, die sie durch das Wahrmachen der inneren Solidarität der Nation, durch Umverteilung irgendeiner Art heilen will. Dafür anerkennt auch sie den Vorrang der intakten Staatsgewalt vor allen Leistungen, die sie von ihr sehen will, – umso mehr, je mehr diese Macht tatsächlich durch innere Unruhen oder äußere Bedrohung oder auch nur durch ausbleibenden Erfolg staatlicher Zwecke zweifelhaft wird.

Beispiel Griechenland: Da wird dem griechischen Volk von ihrem linken Regierungschef Tsipras als oberstes politisches Ziel und im Gestus eines einzigen Versprechens die Wiedererlangung der vollen Souveränität der griechischen Staatsgewalt mitgeteilt. Eh der Staat Gutes tun kann, muss er selber funktionsfähig sein. Dafür muss notfalls alles, was es bisher an sozialstaatlichen Maßnahmen gegeben hat, geopfert werden. Je mehr der Staat in der Krise ist, desto mehr haben sich diese Leistungen zu relativieren. Dass die Macht des Staates seine erste Lebensbedingung ist, das lässt sich das griechische Volk bis zum heutigen Tag einleuchten.

Das Dringen der Linken auf soziale Leistungen betrachten nicht nur die Rechten, sondern in nationalen Notlagen alle Demokraten als das Verbrechen, den Staat zum Knecht von Privatinteressen – hier der Armen oder der organisierten Arbeiter – zu degradieren und ihn damit zu schwächen, womöglich zu zerstören. Je allgemeiner das Urteil der Krise der Souveränität geteilt wird, desto mehr bekommen die Rechten Recht und ihr gewalttätiger Extremismus gilt allenfalls noch als Übertreibung berechtigter Sorgen um Staat und Volk; im selben Maß werden die Linken, wenn sie dem Vorrang der Rettung der Staatsmacht nicht alles Soziale opfern, als System- und Staatsfeinde gebrandmarkt, die unschädlich gemacht werden müssen. Rechte und linke Kritik am Staat – auf den ersten Blick oft schwer zu unterscheiden, wird dann zur absoluten Feindschaft.

Das verweist auf die verrückte Grundlage, auf der das Leben in dieser Gesellschaft beruht. Nur ihretwegen blamiert sich eine politische Richtung nicht gleich, die den Bürgern verspricht, sie werde die Gewalt stärken, die über sie herrscht. Tatsächlich brauchen die privaten Erwerbspersonen, die in dieser Gesellschaft des Eigentums ihr Leben bestreiten, die Gewalt über sich. Herrschaft über alle Privaten ist wirklich die erste Bedingung ihrer Betätigung in der Konkurrenz und damit der Brauchbarkeit der verschiedenen Erwerbsquellen. Auch die Lohnabhängigen und erst recht die Armen brauchen die Gewalt des Staates für ihr Leben unter diesen Bedingungen. Deswegen lassen sie sich einleuchten, dass alles, was sie vom Staat erwarten, hinter seiner Selbstbehauptung zurückzustehen hat, ihre Anliegen allenfalls dann zum Zug kommen können, wenn die staatliche Handlungsfreiheit wiederhergestellt ist. Weil und solange sie auf ihre Erwerbsquelle, die Lohnarbeit setzen, werden auch Arbeiter eher rechtsradikal, als dass sie Klassenkampf und Revolution nötig fänden, wenn die Ordnung nicht leistet, was sie sich von ihr erwarten, - also in ihrem Urteil nicht funktioniert. Sogar der relativ brave Beschluss, eine Gewerkschaft zu gründen oder in eine einzutreten, erfordert eine Kritik an der eigenen Erwerbsquelle, die Einsicht nämlich, dass sie für sich nichts taugt, und dass man einen Fehler macht, wenn man auf die eigene Leistung und Pflichterfüllung als Konkurrenzmittel setzt.